Eine Delbrücker Policeyordnung aus dem 16. Jahrhundert
Die folgende Policeyordnung das Land Delbrück betreffend, ist bislang nicht veröffentlicht worden. Herr Hans-Jürgen Rade, der sie im Staatsarchiv in Münster aufgestöbert hat, hat mir den Text freundlicher Weise zur Verfügung gestellt.
Die Policeyordnung ist nicht datiert. Da sie aber durch den Fürstbischof Johannes II. von Hoya erlassen worden ist, der das Hochstift von 1568 – 1574 regierte, muss sie aus dieser Zeit stammen. Johannes von Hoya war ein hochgebildeter Mann. Er beherrschte 7 Sprachen. Zunächst hatte er an der Sorbonne in Paris studiert, dann aber sein Jurastudium in Italien fortgesetzt. Als glänzender Jurist war er vom Kaiser zunächst zum Assessor und später zum Präsidenten des Reichskammergerichts ernannt worden. Am 22. Februar 1568 wurde er zum Administrator von Paderborn postuliert und erhielt noch im gleichen Jahr die Bischofsweihe und die Postulation durch Papst Pius V.
Bislang gibt es keine Untersuchungen zu Policeyordnungen im Hochstift Paderborn. Die vorliegende scheint eine der ältesten im Hochstift zu sein. Policeyordnungen kommen aber in Deutschland zu dieser Zeit “in Mode”. Die Verordnungspraxis ist ein deutliches Zeichen der Territorialisierung. Es ist der Beginn moderner Staatlichkeit. Interessanter Weise wendet sich die Policeyordnung aber nicht an alles Untertanen seines Hochstiftes, sondern lediglich an die “underthanen des Landtts zur Delbrugk”. Verordnungen für das ganze Hochstift scheinen noch nicht üblich. Der Bischof nimmt noch Rücksicht auf die besonderen Rechtsverhältnisse an jedem Ort.
Die behandelten Rechtsmaterien sind die in dieser Zeit üblichen. Es soll der Luxus eingedämmt werden, wohl auch, um die Steuerkraft der Untertanen zu erhalten.
Staatsarchiv Münster, Domkapitel Paderborn, Capsel 180 Nr. 13
von 1568 – 1574
Der Hochwürdigh Furst und Herr.Herr Johan Bischoff zu Munster Administrator der Stiffte Osnabrugk unnd Paderborn p. Ist undertheniglich berichttet Welcher maßen Ire f. g. underthanen deß Landtts zur Delbrugk mit aller handt uberflußigen Unrosten, Verzerrungen, Zechen, Geselschafften, Unnd anderer unrichtiger Außgabe sich zu hogstem beschwern unnd in großem Verderb stellen. Demnach Ire B. Gn. auß Landtsfurstlichem obligen und vetterlicher Sorgfeltigkeit, zu abwendungh der Underthan Nachteil Schadens und Unheils, Unnd guter genediger befurderungk I. F. G. Landts zur Delbrugh deroselben Paderbornischer Statthalter unnd Rethe genediglich aufferlagtt und bevolhen nachgesetzte verfasste Pollecei Ordnungh in der Delbrugen zu publicirn unnd bey namhafften Peenen, welchen jederzeitt nachgestellten Sachen, den Ubertretern sal ufferlagt werden, daruber ernstlich unnd ohne allen rachloß zu hallten.
Wan aber wir Statthallter und Rethe hochgedachts unsers genedigen Fursten und Heren bevelich undertheniglich nachzusetzen schuldig als wollen wir hiemit gegenwürtige ordnung in der Delbrugk publicirt unnd angekundet unnd bey hogster Straffe unnd Peen zu jeder Zeit nachgestalten Sachen den Ubertrettern aufferlegt werden sollen entlich unnd unabschleglich nach Dato dießen zu hallten, Einen jeden des Landts zur Delbrugk sambt unnd sonderlich ingebunden haben.
Erstlich von Hochzeitten oder Brautwürtschafften
Zu der Geselschafft einer Brautwurtschafft soll Ein Maigerhoff viertzig schußelen Leut unnd keins wegs daruber, sunder nach seinem gefallen darunder zu bitten gemechtigt sein, Ein halber Meigerhoff oder Kotter zweintzig schusselln. Ein Eingesessener im dorff, wie auch ein Bardenhewer und Zulegelingk vunffzehen schusseln auff jeder Schussel vier personen zu rechnen die ire Gabe thun konnen.
Der oder dieselben die brautwürttschafft unndt Kost hallten sollen uber drey gericht neben butter unnd Keyse nit schaffen, Auch der gemeine geselschafft nit mehr als zwei Malzeit Nemlich ein des Sontags die ander des Montags deren jeder von Mittag an uber drey Stunde nit wehrn soll, anrichten sonsten zu keiner Zeit einiger verner geselschafft klein oder groß noch einige gesterey vor oder nach der brautwürtschafft verpflegen allein mugen des Dingstags der Braut unnd Brautgams elltern Bruder Schwester unnd allernegste verwandten aber nicht uber sechs achtt oder zehen schußelen zu außrichtungh irer Rechnungh betzallungh des brauttschatzes unnd dergleichen zu einer Maltzeit beruffen werden.
Gleichwie des Dingstags nach der Brautwürtschafft also sollte es auch gehalten werden wannehr die Verlebnuß der ehethedigungh bebeschichtt.
Wie auch die gebettene in der Brautwürtschafft nur allein zu Zeit der Hochzeit einmal an geldt oder Haußgeradt das geschenck thun unnd sonsten ahn butter und Keysen oder anderer Eßenspieße der oder anderer Zeit vor oder nach der Hochzeit keine verehrungh weittergeben oder auspennen sollen.
Dieweil auch ubermeßige Kleidungh geschnuck unnd größe brautschetze auch ander verehrungh, die Underthanen gantz verdorben, soll zu diessem ein geburliche maß gehallten werden, als nemlich das man seiten duich und Sammet also einigh goldt noch groß geprengh an Sylber nit soll tragen. Sonder mit einvoldiger Kleydungh wie vormals geweßen sich begnugen laßen.
Wovern aber ein Kindt auß dem Lande anders wohin bestattet wurde wil man nachgeben nach gebrauch des Ortz die Kleidungh mitzutheilen jedoch uff gleichmesigungh der Ambtleuthe. Noch hohere Brautschetze geben, als nach gelegenheit des Landtz unnd der Leutte, die vermugenheit ertragen khan alles bey Peen unndt Straff wie ob gemellt.
Von der Geselschafft der Kindtauffen p.
Zur Kindttauff soll kein geselschafft henfurter gehalten noch einige verehrungh oder Gabe, Allein was die gevattern ahn gelde zu Pathengabe zu Zeit der Tauff geben geschenckt werden, Wil aber des Kindtz Vatter den gevattern und frawen, so bey der geburt gewesen, einen anbiß unnd vor einen halben thaller bier verehrn, sol inne freystehen. Daruber sollen zu den Kindtauffen keine Unkost angewendt unnd was sonsten an botter Keesen unnd dergleichen verehret wurden hiemit aufgehaben sein und pleyben.
Von Auffrichtungh der Haußer und newer gebew p.
Wannehr jemantz new Haußer oder Gebaw aufrichten wol sie sein klein oder groß soll zu dero behoiff keine geselschafft gesterey geschenck mit botter Keyse oder dergleichen gehallten werden, Sonder mag ein jeder guter freundt an Mans personen zur hülff und aufrichtungh der gebew erbitten und dieselbige mit notturfftigem essen unndt drincken unnd nit daruber versehen.
Von den Zechen und Byerheußernn.
Waß vor ungottliche Handlungh in geselschafft unnd Zechen an Sauffen freßen unnd anderer verbottener geschefft sich teglich zutragen Ist leider genuigh am tage also das zu abbittungh Gottlichen Zorns unnd Abstrickungh unwiederbrienglichen Verderbs die notturfft erfordert hinuber aufzehens zu haben,
Demnach sollen durch das gantze Landt zur Delbrugen nur an sechs Enden oder Ortern Bierzapffen gehalten werden Nemlich an der newen Bruggen Espenschlinghen Höpe ahn Bories zur Lindenstraße oder Bories Marttin unnd des Juden Heusern zu behoiff der Herberg wandermans unnd sonsten im Dorff aber ettliche Bierzapffen oder Schencken nach notturfft zur Herbergh ehrlicher gesellschafft oder aber auch zu auszapffungh unnd außkauff des Biers deren zugebrauchen unnd verner keine bierheuser oder Heckenkröghe an einigen ortt gehallten werden.
Soll hiemit gleichwol verbotten sein ubermessigen volsauffen unnd schwelgen wie auch abentz nach neun schlegen einigh Bier zw zapffen oder die Zech verner zugestatten Noch under dem GotzDhienste im geringsten einige gelage wie auch zur Zeitt der gerichte vor anfange deroselbigen zu hallten.
Es soll gleichfals jarlich nach gelegenheit auff geburlichen wertt der Kauff des Biers es ey Paderbornisch oder Ingebrawen nemlich wie theur die maß auszuzapffen gesetzt werden.
Von Brendeweyn
Es soll niemandt einig Brendtenwein under dem GotzDhienste und vor anfange der gerichte außmeßen oder verkauffen noch zu Kauff unnd Außmeßen begern, Unnd wanner aber sonsten jemandts vor oder nach dem GotzDhienste oder aber anderer Zeit Brendtwein begert soll zu einem mal oder eines tags uff eine person des Landtz zur Delbrugk nit mehr als vor einen halben einfaltigen groschen zum hogsten gelaßen werden alles bey Straff unnd Peene wie vorgemelt.
Dieweil auch vermirckt das durch Abziehungh der Hergewede und geradte unsers genedigen fursten und heren Leuthe des Landtz zur Delbrugk vast großen nachteil hinder und Schaden erlitten würdt verordnet unnd hiemit statuirt das die negsten Erben im Gradt unnd bluet sie sein Schwerdh oder Spilseidt ohne underscheidt undt das hergeweide oder gerade ererben und an sich nemmen sollen.
Wovern aber zu seith Linien kein neher Erben als im siebenden gradt oder verner nach kayserlichen rechten zu rechnen vorhanden sollen uff den fall Hergeweide und gerade dem Landtzfursten verfallen unnd zukhommen was aber Exclusive vor dem siebenden Gradt bei der Sucession wie vorgemellt.
Waß negst verlittener Zeit von den Außlendischen Bettlern Barden Knechten und Mussigkgeng mandirt und bevolhen sol hieher erwiedert unnd zu halten bevolhen sein mit dem anhang Im fall ihr ein oder mehr bekanter armer auß der Nachbarschafft umb gotz willen Eßen bitten würdt mag man denselben nach freyen willen ettwas einsmals geben, Unnd des vielen uberlauffens abwiesen, wie auch hiemit verbotten würdt das die gebettene freunde und Geste zu einer brautwürtschafft keinem bettler ettwas vom tisch geben sonder mueghen solchs braut unnd brautgam unnd die jenige welcher die die Cost bestehen ausrichten nach irem freyen willenn.
Nachdem auch auß andern Landen allerhandt mußig verjagt unnd Lichtfertig gesinde unnd Leutt sich in der Delbrug bey der Inwonner ettliche niederschlahen gehauset unnd geherbergt. Unnd allerhandt Unleitlich wesen durch die selben getrieben würdt hiemit wie vorgemelt verbotten solch gesindtlin nit ein zunemmen zu hausen oder zu herbergen alles bei Straff wie vorgemelt.
Dieße angetzogene Puncten sollen unabbruchig gehallten unnd die Uberfharer aller gelegenheit nach unnachleßig gestrafft unnd daruber ein sunderliche Inquisition unnd außforschungh angestellt werden. hiemit der Obrigkeit vorbehalten diesse Ordnungh zu endern bessern oder mehren minderen.
Des zu Urkundt ist dieß alles under hochg. unsers genedigen fursten unnd herrn Secret Ingesiegel publicirt und angekundt Geschehen.
Mein Literaturtipp:
Zu Bischof Johannes II. von Hoya siehe Brandt, Hans Jürgen / Hengst, Karl: Die Bischöfe und Erzbischöfe von Paderborn, Paderborn 1984.